Identität bedeutet Einzigartigkeit. Sie macht den Menschen zur Person, keiner anderen gleich, ersetzbar in ihren Funktionen, nicht aber in ihrem Wesen. Identität wird jeden Tag neu geschaffen. Mit jeder neuen Begegnung, in jeder Situation. Erziehung, Erfahrung und Entwicklung formen, aber letztlich wird man immer wieder entscheiden können: Verwerfen oder Bewahren?
Unsere Gesellschaft ist verzerrt von dem Zerfall der Werte, der Abwesenheit von Idealen und dem Gefühl der Ohnmacht. Kaum eine Ideologie greift noch, das Vertrauen in die Politik ist grundzerstört, Carpe Diem zum Carpe Noctem zerflossen. Die Jugend hin- und her gerissen zwischen Lethargie und Barrikaden. Einzig und allerorts ertönender Schlachtruf: Kaufkraft!
Identität entsteht über die Produkte, die wir uns leisten können zu konsumieren. Was aber vermittle ich meinen Studenten, ohne Vertrauen in ihre Welt, doch kraft ihrer Jugend geneigt, sich auf den Weg zu machen? Wie motiviere ich Menschen auf der Suche nach ihrem Platz in einer (Arbeits-)Welt, in der der einzelne nicht zählt und jeder ersetzbar ist? Wo übt sich das Recht auf Identität aus? Wo ist der Boden, aus dessen Fruchtbarkeit Menschen erwachsen, die ihre Einzigartigkeit spüren dürfen?
Ein weiterer Ruf erklingt aus den Kehlen der Zerstörer: Nehmt mich wahr! Sind wir zu nichts Besserem fähig als zu einer Welt, in der wenige fast alles und viele fast nichts besitzen, eingelullt durch Brot und Spiele, kaum mehr fähig, den desillusionierten Blick von abstumpfenden Medien hoch auf den Nachbarn zu erheben? Wissen wir denn nicht, dass allein das Hinsehen eine Waffe ist?
Tun wir's also: Sehen wir hin. Hören wir zu. Fühlen wir hin. Schaffen wir Raum für Geborgenheit, Vertrauen und Ichsein und entziehen der Angst den Boden.
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