Die Gesellschaft für deutsche Sprache kürt in diesem Jahr das Wort GroKo (Grosse Koalition) zum Wort des Jahres. Der Spiegel blickt zurück:
Wir scheinen in einer fast durchgehend schlecht gelaunten, angsterfüllten Republik zu leben. Während "aufmüpfig", das erste Wort des Jahres 1971, noch eine gewisse freche Aufbruchstimmung erahnen lässt (was noch durch das sympathische Detail verstärkt wird, dass es der Begriff "heiße Höschen" damals immerhin auf Platz sechs geschafft hat), geht es seither stimmungsmäßig fast durchgängig bergab.
Nach einer fünfjährigen Pause identifizierte die GfdS den Begriff "Szene" als charakteristisch für 1977, und damit waren offenbar nicht etwa jugendlich-progressive Subkulturen gemeint, sondern linksradikale Umtriebe (auf Platz zwei und drei folgten "Terrorismus" und "Sympathisant"), 1978 war es die "konspirative Wohnung". 1979 war das Jahr, in dem die TV-Serie "Holocaust" die Bundesbürger zur schmerzhaften Auseinandersetzung mit dem deutschen Mord an den Juden brachte - bitter nötig, aber eben auch bitter. 1980 schob sich die "Rasterfahndung" im kollektiven Bewusstsein noch vor den "Asylanten".
So etwas wie verhaltene Hoffnung mochte 1981 die "Nulllösung" verbreiten, also der angestrebte Verzicht auf neue Waffen dies- und jenseits des Eisernen Vorhangs. Doch es drängelte bereits die "Ellenbogengesellschaft" (1982) und der "heiße Herbst" (1983) brachte unschöne Auseinandersetzungen um die dann doch wieder für nötig befundene Aufrüstung. Kurz wurde vom (ja doch eher paradoxen) "Umweltauto" (1984) geträumt, und dann kam es knüppeldicke: Zuerst vergällte "Glykol" (1985) die Freude am Billigwein, dann zerstörte "Tschernobyl" (1986) die Illusion von der sauberen Atomenergie, "Aids" (1987) verdarb den Spaß am Sex und die "Gesundheitsreform" (1988) das subventionierte Pillenschlucken.
Eine kurze Stimmungsaufhellung bescherte die "Reisefreiheit" (1989), aus der schnell "die neuen Bundesländer" (1990) wurden, aber die gute Laune über die Wiedervereinigung währte nicht lange, fühlte man sich im Osten doch bald vom "Besserwessi" (1991) bevormundet. Kein Wunder, dass darauf "Politikverdrossenheit" (1992) folgte, verstärkt noch vom "Sozialabbau" (1993). Nach dem "Superwahljahr" (1994) träumten die Deutschen von den Verheißungen einer "Multimedia"-Zukunft (1995), aber nix da, sie bekamen ein "Sparpaket" (1996) und standen im "Reformstau" (1997).
Unter "Rot-Grün" (1998) fieberte man eher inhaltsarm dem "Millennium" (1999) entgegen, aber nur, um das neue Jahrtausend damit zu beginnen, sich über Helmut Kohls "Schwarzgeldaffäre" (2000) aufzuregen. "Der 11. September" (2001) brachte nur Sorgen, der "Teuro" (2002) machte alle ärmer, und dann musste man sich auch noch vom damaligen US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld als "das alte Europa" (2003) verspotten lassen, weil man nicht mit Hurrageschrei in den Irak-Krieg ziehen wollte.
Die für niemanden erfreuliche Sozialreform "Hartz IV" (2004) läutete das Ende der rot-grünen Regierung ein, seither haben wir, nun ja, eine "Bundeskanzlerin" (2005). Im WM-Jahr 2006 übertönte der Jubel auf der "Fanmeile" alle Unkenrufe, Weltmeister wurde Deutschland trotzdem nicht. Und muss sich seither mit der "Klimakatastrophe" (2007) und der "Finanzkrise" (2008) herumschlagen. Beidem abhelfen sollte die "Abwrackprämie" (2009) mit ihrer Ankurbelung der Wirtschaft bei gleichzeitig umweltschonender Modernisierung des deutschen Fuhrparks. Die von denen da oben verordnete Modernisierung des Stuttgarter Hauptbahnhofes hingegen rief die "Wutbürger" (2010) auf den Plan, und kaum waren diese einigermaßen besänftigt, widmete man sich wieder per "Stresstest" (2011) den allgemeinen Geldproblemen, das aber immerhin mit mittlerweile abgeklärter "Rettungsroutine" (2012).