Ein Artikel der IKUD-Seminare: Aufgrund von zunehmenden Globalisierungstendenzen kommt es in unserer Welt zu immer mehr interkulturellen Überschneidungssituationen. Menschen aus kulturell unterschiedlichen Kontexten kommen in Kontakt miteinander, sei es im beruflichen oder privaten Bereich. Diese interkulturellen Interaktionen sind nicht immer von gegenseitigem Verständnis geprägt, ganz im Gegenteil entstehen in und mit ihnen oft Schwierigkeiten und Konflikte. Dies liegt daran, dass sie wesentlich komplexer und problematischer sind als intrakulturelle Interaktionen.1 Um sich in diesen interkulturellen Situationen angemessen verhalten zu können und sie positiv zu gestalten, bedarf es interkultureller Kompetenz.
Interkulturelle Überschneidungssituationen
Interkulturelle Überschneidungssituationen entstehen, wie in Abbildung 1 ersichtlich, wenn das Eigene und das Fremde in eine wechselseitige Beziehung miteinander treten und das Fremde für das Eigene an Bedeutung gewinnt. Dies kann sowohl in positiver als auch negativer Hinsicht stattfinden. Das Fremde kann als etwas anregendes Neues empfunden werden oder aber als etwas bedrohlich Unbekanntes.
Zwischen dem Eigenkulturellen und dem Fremdkulturellen entsteht so „ein Zwischenraum der Uneindeutigkeit, Vagheit und Neuartigkeit“.2 In diesem Zwischenraum entsteht das Interkulturelle. Es treffen verschiedene Weltbilder, Lebensformen, Denk- und Handlungsweisen aufeinander, die dazu führen, dass durch Unwissenheit über das Fremde Konfliktpotenzial gegeben ist. Die interkulturelle Interaktion kann als Aushandlungsprozess zwischen den Interaktionspartnern verstanden werden, in dem die Individuen neue Standards für den Umgang miteinander aushandeln. Unter günstigen Bedingungen kann dieser Prozess als eine wechselseitige Anpassung bezeichnet werden, in der das interaktive Verhalten sowohl vom Eigenen als auch vom Fremden bestimmt wird.3 Um kulturelle Überschneidungssituationen positiv zu gestalten und eine Ausgeglichenheit zwischen Fremdem und Eigenem herzustellen und somit einen Austausch zu ermöglichen, ist interkulturelle Handlungskompetenz erforderlich.
Der Begriff „Interkulturelle Kompetenz“ bezeichnet ein komplexes theoretisches Konstrukt. Interkulturelle Kompetenz ist ein Bündel aus vielen verschiedenen Fähigkeiten und Fertigkeiten, die sowohl auf strategischer und professioneller als auch auf individueller und sozialer Ebene anzusiedeln sind. Sie muss als ein lebenslanger Lernprozess verstanden werden.4
Die in Abbildung 2 zusammengefassten Komponenten interkultureller Kompetenz sind notwendig, um in interkulturellen Überschneidungssituationen – in der Interaktion mit Menschen anderer Kulturen – sensibel, reflektiert, adäquat und effektiv handeln zu können.5 Thomas (2003) definiert Interkulturelle Kompetenz wie folgt: „Interkulturelle Kompetenz zeigt sich in der Fähigkeit, kulturelle Bedingungen und Einflussfaktoren im Wahrnehmen, Urteilen, Empfinden und Handeln bei sich selbst und bei anderen Personen zu erfassen, zu respektieren, zu würdigen und produktiv zu nutzen im Sinne einer wechselseitigen Anpassung, von Toleranz gegenüber Inkompatibilitäten und einer Entwicklung hin zu synergieträchtigen Formen der Zusammenarbeit, des Zusammenlebens und handlungswirksamer Orientierungsmuster in Bezug auf Weltinterpretation und Weltgestaltung“.6
Insgesamt ist interkulturelle Handlungskompetenz nicht als eine einzige Fähigkeit zu sehen, sondern als ein erfolgreiches ganzheitliches Zusammenspiel von „individuellem, sozialem, fachlichem und strategischem Handeln in interkulturellen Kontexten“.7 Jemand ist dann interkulturell kompetent, wenn er es schafft, das Zusammenspiel dieser verschiedenen Komponenten interkultureller Kompetenz ausgewogen und zielgerichtet ein- und umzusetzen.8
Interkulturelle Kompetenz meint nicht, alles und jeden einfach so hinzunehmen und gutzuheißen. Eine wichtige Komponente ist es, sich selbst und die Anderen auch zu hinterfragen.9 Hierzu gehören z. B. Wissen um Ethnozentrismus, Kulturkonzepte, Fähigkeiten wie Selbst- und Fremdreflexion, Perspektivwechsel und Fertigkeiten wie der Umgang mit sogenannten kritischen Ereignissen und Kommunikationskompetenz.
Die folgende Abbildung zeigt einen Modellentwurf für interkulturelle Kompetenz, bei dem die Fähigkeiten nach ihren Lernebenen angeordnet sind:
Interkulturelles Lernen sollte genau diese Lernebenen – kognitive, affektive und behaviorale Ebene – ansprechen, um einzelne Komponenten interkultureller Kompetenz zu fördern und herauszubilden. Wichtig ist auch, dass sich die einzelnen Bereiche interkultureller Kompetenz gegenseitig beeinflussen und wechselseitig bedingen. Insgesamt geht es bei dem Modell interkultureller Handlungskompetenz um ein theoretisches Modell, dessen Zielvorgaben und Idealzustände in der Fülle im Normalfall nicht vollkommen erfüllt werden können.10 Manches Wissen, manche Fähigkeiten und Fertigkeiten können durch interkulturelles Lernen erlangt und verbessert werden, andere können als allgemeine Handlungskompetenzen gesehen werden. Interkulturelle Handlungskompetenz ist somit keine isolierte Fähigkeit, über die Menschen an sich nicht verfügen und die von Grund auf neu erlernt werden müsste.11
Insgesamt lässt sich festhalten, dass interkulturelle Kompetenz ein Set von skills (Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten) darstellt, die die interkulturell kompetente Person dazu befähigen, in interkulturellen Überschneidungssituationen in einer effektiven und angemessenen Weise zu handeln.12 Menschen, die über interkulturelle Kompetenz verfügen, „sind einerseits in der Lage, eigene Ziele zu erreichen (Effektivität), andererseits aber auch bereit bzw. fähig, die Ziele des Anderen zu achten sowie Umgangsregeln zu befolgen, die dem Partner wichtig sind (Angemessenheit)“.13
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